Warum gähnen wir?

Den meisten von uns ist es unangenehm, in der Öffentlichkeit gähnen zu müssen. Kein Wunder, schließlich gilt dieser Vorgang in der westlichen Kultur als Zeichen für Müdigkeit oder gar Langeweile. Dabei gilt es als besonders unhöflich, beim Gähnen nicht die Hand vor den Mund zu halten. Manch einer versucht daher gar, das reflexartige Verhalten zu unterdrücken. Wo liegt also die Ursache für das Gähnen und welchen Zweck erfüllt es?

Wissenschaftler stellten bereits vor mehreren Jahrzehnten fest, dass das Gähnen bereits bei Föten ab der 11. Schwangerschaftswoche beobachtet werden kann. Es wird vermutet, dass durch den Vorgang bereits im Mutterleib die Lungenfunktion verbessert werden kann, denn der Druck in der Lunge des Fötus wird vermindert; zudem werden Gewebefetzen und Sekret ausgeschieden. Das Gähnen erfüllt beim Fötus folglich einen Zweck. Nach der Geburt hingegen hat der Vorgang keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Zweck. Vollkommen falsch ist etwa die These, dass Sauerstoffmangel im Gehirn die Ursache für häufiges Gähnen wäre.

Gähnen als Druckausgleich

Sowohl beim Menschen als auch bei Tieren beginnt der Vorgang mit einem tiefen Atemzug, bei welchem der Mund weit geöffnet wird. Er endet mit dem Schließen den Mundes sowie dem gleichzeitigen Ausatmen. Häufig wird das Gähnen dabei von einem Laut begleitet, welcher jedoch – anders als das Gähnen selbst – unterdrückt werden kann. Prinzipiell wird beim Gähnen durch die Eustachi-Röhre der Druck zwischen Mittelohr und Rachenraum ausgeglichen. Dies geschieht zum Beispiel bei einem Flug oder dann, wenn man erkältet ist. Dringend erforderlich ist das Gähnen für den Druckausgleich jedoch nicht, da der richtige Druck bereits durch Kau- oder Schluckbewegungen hergestellt werden kann.

Gähnen als Zeichen für Müdigkeit oder Langeweile

In der Tat ist es so, dass wir häufiger gähnen müssen, wenn wir müde und schläfrig sind. Doch auch in der Stunde nach dem Aufstehen ist die Gähnfrequenz deutlich erhöht – und zwar unabhängig davon, ob man müde ist oder nicht. Auffallend ist dabei, dass morgendliches Gähnen meist mit gleichzeitigem Strecken verbunden ist. Auch konnte nachgewiesen werden, dass gelangweilte Menschen signifikant häufiger gähnen.

Gähnen als Ausdruck für Empathie

Wer kennt es nicht: Jemand gähnt und plötzlich gähnen auch weitere Personen im Raum. Dies legt die Vermutung nahe, dass Gähnen ansteckend ist. In zahlreichen Studien ging man dieser Vermutung nach, wobei sich schnell ein eindeutiges Ergebnis herauskristallisierte: Ja, Gähnen ist ansteckend, aber längst nicht in jedem Fall! Vielmehr drücken wir durch das Gähnen aus, wie wir emotional zu unserem Gegenüber stehen. Je näher wir uns emotional sind, desto ansteckender ist auch das Gähnen. Deshalb gähnen wir am ehesten dann, wenn Verwandte dies auch tun. Folglich ist Gähnen als Ausdruck von Empathie zu werten, also dem Vermögen, Gefühlsregungen anderer zu erkennen und auf diese zu reagieren. Durch die Untersuchungen konnte also bewiesen werden, dass es sich beim Gähnen um einen weiteren Bestandteil des menschlichen Sozialverhaltens handelt.